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Der Mikrowellenbrenner

Eigentlich hat jeder Haushalt in Deutschland schon eine fette Röhren-PA. So eine Mikrowelle ist ja wirklich genau das! Ein Hochspannungsnetzteil, eine Elektronenröhre (hier: „Magnetron“) und ein gut abgeschirmtes, ideal aufgeteiltes Gehäuse, Einstellung der Sendedauer…

Nur leider stimmt die Frequenz nicht.

2.455GHz und 915MHz liegen nicht genau in Amateurfunk Frequenzbändern und werden von den Dimensionen der eingebauten Magnetron Röhre bestimmt und sind daher nicht leicht zu verändern. Das ist ziemlich unpraktisch, es sei denn, man will nur Würstchen aufwärmen. Das kann diese Röhre gut, denn sie hat viel viel Leistung.

Elektronia habe ich vor ein paar Monaten am Straßenrand kennengelernt. Sie bot sich mir förmlich an, denn sie stand auf dem Straßenstrich – besser sage ich Straßenbegrenzungsmarkierung. Um sicher zu gehen, dass ich mit ihr auch keinen Ärger bekommen würde, habe ich geklingelt und nachgefragt. Der Grund, dass sie nun an der Straße stand war, dass sie zickig sei, ein Wackelkontakt, vielleicht.

„Elektronia“

Als sie dann bei mir im Auto war, vielen mir direkt ihre zwei schönen großen Knöpfe auf. Man könnte bestimmt noch schön dran drehen. Da kam mir eine Analogie in den Sinn:

TUNE AND LOAD

Ein Schelm, wer bis dahin an etwas anderes dachte..

Es schreibt das Jahr 2021, die Coronavirus Pandemie ist im vollen Gange. Da ich weder Fernseher, Netflix, noch einen Gaming PC besitze, verschiebt sich mein Interesse in eine bizarre Richtung: Röhrentechnik. Ich hatte schon einige Erfahrungen mit Mosfet- und Transistortechnik in diversen Hochfrequenzverstärkerschaltungen, Kurzwellen Breitband SSPAs und Schmalband VHF SSPAs, aber damit die Palette komplett ist, musste nun noch eine Röhre her. Da kam die Mikrowelle „Elektronia“ ins Spiel.

Originalzustand geöffnet

Man sieht hier unten den dicken HV Trafo, rechts einen Lüfter und oben in der Mitte das Magnetron. Links die Wahlschalter für das Mikrowellenprogramm mit der mechanischen Klingel und unten der Stromanschluss mit Netzfilter.

Zwischenzeitlich Ausschlachtungszustand

Ich habe noch einen Karton mit all den Teilen, die ich ausgebaut habe: Magnetron, Kabel, Infrarotheizstäbe (es war eine Grillkombi), Kabel, den Motor für die Tellerplatte… Die Glasplatte macht als Kuchenplatte noch einiges her!

Den HV Transformator habe ich dann doch noch ausgebaut da er kein richtiger Trenntransformator ist und ich in mehreren Quellen gelesen habe, dass er in unbelastetem Zustand in die Sättigung geht und ziemlich heiß werden kann. Außerdem liefert er nur diese eine hohe Spannung.

Dann kam der Plan:

  • Ein Verstärker für ein einziges Kurzwellenband (hier: 10 – 11m)
  • Soll original aussehen
  • Soll originell aussehen
  • Soll mir Röhrentechnik beibringen
  • Soll sogar funktionieren
  • Die Röhre MUSS glühen
  • Die Nadel MUSS tanzen
  • Sollte bezahlbar sein

Daraufhin habe ich die simpelsten aller einfachen Linearverstärkerschaltungen in Röhrentechnik recherchiert, miteinander verschmolzen und rigoros alles weggestrichen, was ich erstmal nicht verstanden habe oder für überflüssig empfand.

DL3SPS 10/11M 811A Linear Verstärker

Dieser Schaltplan ist entstanden, nachdem das Projekt fertig war, zeigt also relativ genau den „ist“ Zustand.

Die 811A Röhre passt in eine Mikrowelle, benötigt keine Vorspannung (Gitterbasisschaltung), und außerdem glüht sie sehr schön. Die Röhre, wie ebenfalls die Anodenkappe und den Sockel habe ich in einem Onlineshop für Audio(ten/enthusiasten) gefunden. Dort gab es auch Ringkerntrafos, die gleichzeitig die 6,3V für die Heizspannung der Röhre liefern. Dass der Trafo (150VA) zu wenig Leistung liefert ist mir leider erst beim Testen aufgefallen. Ich war ziemlich naiv. Erst hatte ich nur mit 450V DC getestet. Da hatte ich fast keine Verstärkung feststellen können. 5W rein, 5W raus. Durch eine nachträgliche Modifikation mit Spannungsverdopplung in der Gleichrichtung lagen dann gemessen 920V DC an. Jetzt habe ich ca. 7dB Gain. 5W rein, 25W raus. Das ist schon besser. Ab einer Ausgangsleistung von 50W PEP komprimiert das Netzteil aber, es geht nicht mehr. Diese Lektion habe ich auch gelernt.

Netzteil Belastungstest mit 450V DC an 10k, 30W
Netzteil Erweiterung zum Spannungsverdoppler. 920V DC das ist besser!

Man sieht hier unten den Transformator, rechts unten das PTT Relais, darüber den Netzschalter und PTT Stecker. Dazwischen ist ein Linearregler, mit dem ich den Effekt negativer Vorspannung an der Röhre getestet habe. Er wurde am Ende nicht verwendet. In der Mitte ist die Gleichrichterplatine mit dem Spannungsverdoppler. Der dünne blaue Draht führt zur Anodendrossel. Links ist der PI Filter zur Abstimmung der PA.

Die Drehkondensatoren lassen sich außen mit den original Knöpfen bedienen. „Wattzahl“ als „Tune“ und „Dauer“ als „Load“ 😛

Eingangsanpassung an der Kathode für „Grounded Grid“ Schaltung.

Dieses Mikrowellengehäuse ist echt praktisch. Es hat sogar Serviceklappen.

Röhre, VHF Surpressor, Anodendrossel, DC Abblockkondensator

Der VHF Surpressor (der Bogen aus Kupferdraht mit dem 100R Widerstand parallel) war nötig, ansonsten hatte die Mikrowelle auf 109MHz oszilliert und im Rundfunkprogramm gesendet.

Zur Kühlung ist ein 12V PC Lüfter eingebaut. Die Spannung bekommt er über einen Gleichrichter von den 6,3V für die Kathode. Es sind ca. 9V DC. Er läuft sehr leise.

Vorsicht Hochspannung!

Solch hohe Spannungen im Chaos mit einem Multimeter zu messen ist gefährlich und nicht empfehlenswert. Das sollte am besten durch einen speziellen Tastkopf für Hochspannung geschehen welcher die Spannung mindestens durch den Faktor 1000 teilt, bevor die Leitungen im Multimeter enden. Leider besitze ich noch keinen. Ich hatte immer 1,5m Abstand und eine Hand in der Hosentasche.

Mehr Bilder:

Elektronia von hinten
Es glüht schön!
Im Betrieb. Yaesu FT-817 und Midland ALAN 78 Plus.

Im Test auf 10m Band hat sich die umgebaute Mikrowelle gut geschlagen. Wie der Spektrumanalysator vorhergesagt hat ist das Signal sauber ohne merkenswerte Intermodulation. Die harmonischen Aussendungen liegen mehr als 40dB unter dem Nutzsignal, welches maximal 50W PEP erreicht. Beim ersten Versuch mit Antenne wurden Kontakte nach Portugal, Spanien und Italien erreicht. Die Mikrowelle lässt sich sogar auch noch im 27MHz Bereich (am Dummy Load ; ) abstimmen. Das Amperemeter misst den Anodenstrom von 0 – 200mA. 150mA können maximal abgerufen werden. Bei AM und SSB Betrieb tanzt die Nadel sehr schön. FM Betrieb wurde auch probiert. Daueraussendungen sind also kein Problem.

So weit:

So gut. Als junger Funkamateur (mit 29 ist man in der Szene fast noch jung) hat es sich für mich doch gelohnt, auch mal die „gute alte Röhrentechnik“ zu probieren. Es hat Spaß gemacht und allemal meinen Horizont erweitert. Ich glaube jetzt nicht, dass ich gleich zum „Röhrenfanatiker“ werde. Die Hochspannung ist schon ziemlich gefährlich und die Röhrenheizungen verbraten viel Strom, das ist nicht gut für die Klimabilanz… Aber

Röhre vs. Transistor vs. Mosfet

das ist ein anderes Thema.

73s, Simon